Wahrscheinlichkeiten, Determinismus und freier Wille in Naturwissenschaften und Philosophie

Sommerakademie 2018 der Schweizerischen Studienstiftung. Unterstützt durch die Werner Siemens-Stiftung.

01.09.2018 – 08.09.2018, Centro Evangelico, Magliaso (TI)
Dozenten:

Prof. Dr. Detlef Dürr, Mathematik, LMU München
Prof. Dr. Michael Esfeld, Philosophie, Uni Lausanne
Gastdozent: Prof. Dr. Friedhelm Hummel, Neurowissenschaften, EPFL
Assistent: Dr. Dustin Lazarovici, Philosophie, Uni Lausanne

Offizielle Ankündigung

Programm und Literatur

Sonntag 2. September

Detlef Dürr: Was ist Determinismus?

Diese Frage ist im Rahmen der Physik relativ leicht zu beantworten; gleichwohl entstehen neue, sehr schwierige Fragen, die sich aus der Wechselwirkung des menschlichen Gefühls für Freiheit des eigenen Willens und den physikalischen Abläufen in der „äußeren Welt“ ergeben. Oft wird Wahrscheinlichkeit in der Physik als Rettung des freien Willens angesehen. Was aber ist Wahrscheinlichkeit überhaupt und was hat die in einer deterministischen Physik verloren?   Viele gute Fragen, die wir in der Vorlesung schärfen werden, um einen fruchtbaren Boden für die folgenden Vorlesungen zu schaffen.

Literatur:

Michael Esfeld: Wieso brauchen wir Wahrscheinlichkeiten?

Diese Vorlesung stellt die wesentlichen philosophischen Theorien von Wahrscheinlichkeiten, subjektive vs. objektive Wahrscheinlichkeiten und deren Bedeutung für die Handlungstheorie vor.

Literatur:

Montag 3. September

Detlef Dürr: Wahrscheinlichkeiten in der statistischen Mechanik

Der Prototyp einer deterministischen Theorie, deren wahrscheinlichkeitstheoretische Analyse die mathematische Wahrscheinlichkeitstheorie einst begründet hat, ist die klassische statistische Mechanik. Wie kann Wahrscheinlichkeit Platz in einer deterministischen Theorie haben? Die Vorlesung beantwortet diese Frage.

Literatur:

Michael Esfeld: Was sind Naturgesetze?

Diese Vorlesung führt die wesentlichen philosophischen Theorien von Naturgesetzen ein und behandelt deren Interpretation von Determinismus und Wahrscheinlichkeiten.

Literatur:

Dienstag 4. September

Detlef Dürr: Wahrscheinlichkeiten in der Quantenmechanik

Als Prototyp einer indeterministischen Theorie gilt die Quantenmechanik. Wahrscheinlichkeit, so sagt man, sei in der Quantenmechanik irreduzibel. Die Quantenmechanik sagen manche rettet den freien Willen. Zwei Fragen stellen sich: 1. Stimmt das? 2. Worüber ist Quantenmechanik eigentlich? Wir werden das beantworten.

Literatur:

Michael Esfeld: Was ist freier Wille?

Diese Vorlesung behandelt die wesentlichen philosophischen Theorien des freien Willen und thematisiert ihr Verhältnis zu Determinismus und Wahrscheinlichkeiten.

Literatur:

Mittwoch 5. September

frei

Donnerstag 6. September

Gastvortrag Prof. Dr. Friedhelm Hummel, Neurowissenschaften, EPFL

Freitag 7. September

Detlef Dürr: Können Elektronen denken?

Gibt es Bewusstsein und wenn ja, wie kann das in einer allumfassenden Physik beschrieben werden? Die Physik beschreibt bisher die externe Welt, die materielle Welt, die außerhalb unseres Bewusstsein stattfindet und physikalischen Gesetzen folgt. Darin steckt eine bereits früher angesprochene Antinomie, die man zur Kenntnis nehmen muss und die bedingt, dass Aussagen physikalischer Experimente fast immer auf der Annahme der freien Entscheidungsgewalt der Experimentatoren beruhen. Wir diskutieren dieses Thema anhand von Bells Theorem und Super-Determinismus vs. Determinismus und wir diskutieren gemeinsam, welche Möglichkeiten für eine Vereinigung von Bewusstsein und materieller Welt denkbar sein können.

Literatur:

Michael Esfeld: Die Grenzen deterministischer naturwissenschaftlicher Theorien und ihre Bedeutung (bzw. Un-Bedeutung) für freien Willen

Die Vorlesung streicht heraus, wieso einerseits die Physik deterministische Theorien bevorzugt, andererseits aus physikalischen Theorien allein nichts für oder gegen den freien Willen folgt. Bestimmte Folgerungen ergeben sich erst aus den verschiedenen philosophischen Sichtweisen von Naturgesetzen, Determinismus und Wahrscheinlichkeiten – also nur aus einer physikalischen Theorie zusammen mit einer philosophischen Interpretation. Wir werden diese Folgerungen diskutieren und abwägen.

Literatur:

Weitere Literatur

Philosophie der Vorsokratiker

Wolfgang Schadewaldt. Tübinger Vorlesungen Band 1: Die Anfänge der Philosophie bei den Griechen. Suhrkamp 1978.

Entropie und 2. Hauptsatz

Roger Penrose: The Emperor’s New Mind: Concerning Computers, Minds, and the Laws of Physics.

Sean Carroll: From Eternity to Here: The Quest for the Ultimate Theory of Time. Dutton 2010.

Bohmsche Mechanik

Detlef Dürr und Dustin Lazarovici „Quantenphysik ohne Quantenphilosophie“. In: Esfeld, Michael (Hg.): Philosophie der Physik. Suhrkamp 2012.

Geschichte der Quantenmechanik

Adam Becker: What is Real?: The Unfinished Quest for the Meaning of Quantum Physics. John Murray 2018. (Amazon Link)

Tim Maudlin: „The Defeat of Reason“. Boston Review

Grundlagen der Quantenmechanik

John S. Bell: Speakable and Unspeakable in Quantum Mechanics. 2nd Ed. Cambridge Univ. Press 2014.

Jean Bricmont: Quantum Sense and Nonsense. Springer 2017.  (Amazon Link)

Travis Norsen: Foundations of Quantum Mechanics: An Exploration of the Physical Meaning of Quantum Theory. Springer 2017. (Amazon Link)

Relativitätstheorie

Tim Maudlin: Philosophy of Physics: Space and Time. Princeton Univ. Press 2015. Kapitel 4

Sonstiges

Detlef Dürr: Why Physics needs Ontology. 2015. (Vortrag)

Dustin Lazarovici: „Against Fields“. European Journal for Philosophy of Science. 2017. DOI: 10.1007/s13194-017-0179-z.